Autoren: Thomas Uppenbrink und Philipp Brück
Die Pandemie hinterlässt deutliche Spuren
Das zweite Jahr der andauernden Corona-Pandemie wird für viele Unternehmen und Unternehmer ein ernüchterndes Ergebnis mit sich bringen: Neben dem Wegfall der pandemiebedingten Unterstützungsmaßnahmen kehrt nun langsam der Alltag wieder in die Unternehmen ein, allerdings sind die Folgen der Pandemie längst nicht beseitigt. Zu den Spätfolgen wie Arbeitskräftemangel, unterbrochenen Lieferketten und einer nicht mehr intakten Kundenstruktur kommen auch nicht zu unterschätzende „weiche“ Faktoren hinzu. Der eine oder andere Arbeitnehmer muss sich nach einer langen Zeit der Kurzarbeit erst wieder an ein konsequentes Arbeiten im Betrieb gewöhnen, Abläufe müssen wieder umgestellt werden und nicht jeder ist damit einverstanden, aus dem Home-Office wieder zurückzukehren, obwohl das betrieblich notwendig ist.
Zweifel der Unternehmer
Zudem – und auch diesen Faktor darf man nicht außer Acht lassen – haben viele Unternehmer während der Corona-Pandemie einen immensen Geld- und Arbeitsaufwand in ihr Unternehmen gesteckt und stellen sich nun teils resigniert die Fragen: „Will ich nach diesen zwei harten Jahren wirklich wieder damit anfangen, das Geschäft unter den unsicheren und schwer kalkulierbaren Bedingungen neu aufzubauen? Welchen Sinn hatte das Durchhalten, wenn ich jetzt doch an vielen Punkten wieder am Anfang stehe? Warum soll ich mein Geschäft überhaupt weiter betreiben, wenn die letzten beiden Jahre so deutlich gezeigt haben, wie schnell ein Problem, das ich nicht kontrollieren kann, mich so hart treffen kann?“
Unsicherheit, wie die Nachfolgeregelung aussieht
Dazu hat die Pandemie auch noch die schon seit langem bestehenden Sorgen um eine Unternehmensnachfolge größer werden lassen. So hat die „WirtschaftsWoche“ schon in der Ausgabe vom 24. Juni 2016 getitelt: „Unternehmensnachfolge – Hauptsache, irgendwer macht es.“ Und wofür soll der Unternehmer jetzt sein Geschäft mit viel Energie wieder aufbauen, wenn er doch keinen Nachfolger findet?
Mentales und/ oder finanzielles Ende erreicht
Alle diese Überlegungen führen den einen oder anderen Unternehmer dazu, dass er beschließt: „Für mich ist hier Schluss. Ich will mein Unternehmen nicht mehr weiterführen. Vielleicht mache ich etwas Neues, vielleicht ziehe ich mich auch aus dem Geschäftsleben zurück; aber dieses Unternehmen will ich nicht fortsetzen.“
Hinzu kommen die Unternehmen, die die Corona-Pandemie wirtschaftlich nicht überlebt haben und sich nur mit den Corona-Hilfen und den gesetzlichen Ausnahmen über Wasser halten konnten. Wenn für diese Unternehmen nun die Bilanz für das Jahr 2021 aufgestellt wird, wird der eine oder andere Unternehmer entsetzt feststellen: „Mein Unternehmen ist finanziell am Ende, ich kann nicht weitermachen.“
Egal, was die Ursache ist, es mündet in der Frage: „Was nun?“
„Firmenbestatter“ als vermeintlich einfachster Ausweg aus der Not
Wer sein Unternehmen nicht mehr weiter betreiben möchte, will möglicherweise auch keine „Auslaufphase“ mehr; wer sein Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr weiter betreiben kann, scheut (unverständlicherweise) den Ausweg der Insolvenz, den das Gesetz vorgibt, weil er ein Insolvenzverfahren als unwürdig empfindet und negative Presse fürchtet.
Einen scheinbar einfachen Ausweg bieten hier professionelle „Firmenbestatter“. Oft professionell betrieben, erscheint das Angebot von entsprechenden Agenturen und Beratungshäusern sehr verlockend: Dem Unternehmer wird das Unternehmen gegen Zahlung eines „Beratungshonorars“ einfach abgenommen, bei wirtschaftlich gesunden Unternehmen kann der Unternehmer sogar noch ein wenig Geld verdienen. Der Firmenbestatter verspricht, dass das Unternehmen in kürzester Zeit abgewickelt wird, die Firma aus dem Handelsregister gelöscht wird und der Unternehmer ab sofort mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun hat. Das wirkt insbesondere bei Unternehmen, die sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden, wie ein optimaler Ausweg.
Zu schön, um wahr zu sein
Doch Vorsicht! Die grundsätzliche Dienstleistung, die dabei angeboten wird, ist zwar nicht einmal illegal, denn die Übernahme eines Unternehmens, um dieses zu liquidieren, ist grundsätzlich rechtmäßig. Doch ein professioneller Firmenbestatter, unter der Prämisse der Gewinnmaximierung, wird versuchen, die Ausgaben zu senken und die eigenen Einnahmen zu steigern. Und so werden im Umfeld einer Firmenbestattung auch regelmäßig eine Reihe von Straftaten begangen, die in der Regel auch auf den Unternehmer zurückfallen werden.
Die Geschäftspraxis
Im Zuge einer Firmenbestattung werden typischerweise sämtliche Geschäftsanteile übertragen, und zwar zumeist nicht auf den Firmenbestatter selbst, sondern auf einen Dritten, der vordergründig mit dem Firmenbestatter nichts zu tun hat. Oftmals passiert dies unter dem fadenscheinigen Vorwand der Restrukturierung oder des Krisenmanagements. In diesem Zusammenhang wird der ursprüngliche Gesellschafter und/ oder Geschäftsführer mit einem umfangreichen Vertragswerk bombardiert, das aus mehreren, ineinandergreifenden Verträgen und einer Verschwiegenheitsklausel besteht. Diese Verträge werden teilweise notariell, teilweise schriftlich und auch teilweise lediglich mündlich geschlossen. Nebenabreden werden nicht ausgeschlossen und gerne zwischen Tür und Angel getroffen.
Das Geschäftsmodell
Sinn dieses Gebarens ist es, den Gesellschafter und/ oder Geschäftsführer den Überblick über alle getroffenen Absprachen verlieren zu lassen, sodass er sich in der Folge gar nicht mehr gegen die Maßnahmen des Firmenbestatters wehren kann. Sodann erfolgt ein Wechsel in der Geschäftsführung, damit der vorherige Unternehmer auch von dieser befreit ist. Dann wird der Sitz verlegt, gar nicht selten ins Ausland oder direkt an eine nicht existierende Adresse. Es folgt das „Versilbern“ der Assets und das (fristlose) Kündigen sämtlicher Verträge. Assets, die nicht schnell zu verkaufen sind, werden dem Alt-Gesellschafter „treuhänderisch“ überlassen, oft ohne dass diesem die Überlassung bewusst ist. Arbeitnehmer werden ausgesperrt, Löhne und Gehälter nicht gezahlt, und natürlich werden ab sofort auch keine Steuern und Sozialabgaben mehr geleistet.
Dubiose Verschleierungstaktiken führen zu Schädigung der Alt-Gesellschafter/ Alt-Geschäftsführer
Durch die Sitzverlegung und den Wechsel der Geschäftsführung ist das Unternehmen für seine Gläubiger nicht mehr leicht greifbar. Mahnungen kommen als unzustellbar zurück, Klagen und Bescheide können nicht zugestellt werden. Es folgt nun der erste Bumerang für den Alt-Gesellschafter und den Alt-Geschäftsführer, denn die Gläubiger werden sich an diese wenden und dort ihre Ansprüche geltend machen. Es existieren diverse gesetzliche Regelungen, die eine Nachhaftung definieren, beispielweise § 128 HGB. Nicht zu unterschätzen ist auch das Risiko für den Alt-Geschäftsführer, der von den neuen Gesellschaftern natürlich nicht entlastet, sondern oft wegen angeblicher Verfehlungen in die Haftung genommen wird. Den Entlastungsbeweis kann er kaum führen, da ihm keinerlei Unterlagen mehr zur Verfügung stehen.
Neben Schädigungen werden auch Straftaten begangen
Nicht zu unterschätzen sind auch die Straftaten, die regelmäßig in diesem Zusammenhang begangen werden. Es handelt sich hier meist um Straftaten des Bankrotts gemäß § 283 ff. StGB, die mit Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren bedroht sind; auch Steuer-, Betrugs-, Untreue- und Insolvenzstraftaten werden regelmäßig mit verwirklicht. Die Alt-Geschäftsführer und Alt-Gesellschafter sehen sich oft plötzlich Ermittlungen zumindest wegen Beihilfen zu diesen Straftaten ausgesetzt. Nicht außer Acht gelassen werden dürfen auch die Vorschriften der Insolvenzordnung, denen weder Alt-Geschäftsführer noch Alt-Gesellschafter durch eine „Firmenbestattung“ entkommen können. Wenn ein Unternehmen gesetzlich verpflichtet ist, Insolvenz anzumelden, bietet ein solcher Verkauf des Unternehmens keinen Ausweg.
Haftungsrisiken weiten sich auf den Beraterkreis aus
Auch für Notare ist ein Mitwirken bei Firmenbestattungen nicht ohne Risiko. Hier sei auf den Beschluss des BGH vom 23.11.2015 (NotSt (Brfg) 4/15) verwiesen, der eindeutig festlegt, dass ein Notar seine Mitwirkung bei solchen Handlungen versagen muss.
Mit der Einführung des § 102 StaRUG und den dort definierten erhöhten Pflichten für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Rechtsanwälte ist damit zu rechnen, dass dieser Grundsatz auch auf diese Berufsgruppen Anwendung finden werden.
Fazit
Es ist abschließend nochmals deutlich festzuhalten: Eine so angepriesene, schnelle und kostengünstige „Firmenbestattung“ ohne Risiken gibt es nicht! Abgesehen von den gesetzlich eindeutig definierten Wegen wie Sanierung durch Insolvenz in Eigenverwaltung, (stille) Liquidation (des werblichen Teils) oder ein geordnetes Regelinsolvenzverfahren gibt es keine Alternativen. Hierbei ist das Regelinsolvenzverfahren als Ultima Ratio anzusehen.
Ein sich mit der Thematik beschäftigender Mandant sollte daher dringend darauf hingewiesen werden, dass er sich nur dann rechtssicher vom Betrieb lösen kann, wenn er sich an einen fachkompetenten Sanierungsberater und/ oder an einen auf Insolvenz- und Wirtschaftsrecht spezialisierten Rechtsanwalt wendet. Diese Spezialisten werden mit dem Unternehmer gemeinsam das gesetzte Ziel – Sanierung durch Insolvenz, Liquidation, Regelinsolvenzverfahren – konsequent und gesetzeskonform umsetzen, ohne das der Unternehmer/ Geschäftsführer später das Nachsehen hat.
Wenn der Mandant selbst den Steuerberater dazu drängt, eine unseriöse „Firmenbestattung“ zu begleiten, sollte der Steuerberater tatsächlich darüber nachdenken, in letzter Konsequenz das Mandat niederzulegen. Denn wenn er Teil einer solchen „Firmenbestattung“ wird, hat er auch die entsprechenden haftungs- und strafrechtlichen Risiken zu tragen.